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Transparenz/Intransparenz – Wissen/Nichtwissen – Vertrauen

TransparenzII

TransparenzII

Wenn ich den Begriff Transparenz höre, bekomme ich immer dieses Gehirnjucken. Nicht umsonst habe ich bereits vor Jahren mit einem Hochschulprofessor um diesen Begriff gerungen. Was dabei rausgekommen war, steht in diesem Blogartikel https://nrzittau.de/der-doppelte-knick/. Transparenz hat diese Doppeldeutigkeit, demnach etwas in einem System entweder komplett erkennbar ist – mit allen Details – oder eben nicht erkennbar ist, quasi nicht gesehen wird, aber das dahinter wird gesehen.

Im zwischenmenschlichen Kontext und gerade in Partnerschaften wird dieser Begriff m. E. auch oft missbraucht, weil er in seiner Doppeldeutigkeit nicht genau erfassen kann, was gemeint ist. Will ich in einer Partnerschaft den andern genauestens erkennen und wissen, was er treibt, denkt, fühlt, wie er handelt und wahrnimmt? Oder will ich es nicht wissen, was ihn treibt, erkenne nur die Reaktionen aus dem Umfeld.

In dem partnerschaftlichen Zusammenhang höre ich gerade in offenen Beziehungen bis hin zu polyamoren Beziehungsgeflechten diese Forderung nach Transparenz. Wer war mit wem unterwegs, was wurde gemacht, wie ist es gelaufen, was genau ist passiert. Abgesehen davon ist es für diese konfliktreichen Liebensbeziehungen dann egal, wenn ich z.B. deutlich mache, ich sei als Hetero mit einem Mann unterwegs gewesen. Aber wehe, es war was Weibliches anwesend. Also was bedeutet Transparenz denn hier genau? Erzähle ich alles haargenau mit allen Details, Gefühlen, Beweggründen, Bedürfnissen und deren Stillung – diese Auslegung von Transparenz – oder erzähle ich nichts Genaueres und bin aber transparent, weil ich ja wieder der alte bin. Letzteres wird in der Szene „don‘t ask don‘t tell“ (dadt) genannt.

Hier drängt sich für mich der Antagonismus Wissen versus Nichtwissen auf. Will ich es genau wissen oder will ich lieber nichts wissen. Kann ich überhaupt alles genauestens erfahren und – viel mehr – kann ich überhaupt alles wissen. Kann ich wissen, warum die Reaktion so oder so war, wenn ich nicht in der Haut des anderen stecke?

Letztlich geht es um Vertrauen. Und in was soll ich vertrauen? Darin, dass ich alles genau weiß, den anderen genau einschätzen kann, weil ich in ihn hineinsehen kann, wie die Rädchen einer Uhr ineinandergreifen? Oder vertraue ich in das Nichtwissen und sehe den anderen nicht im Detail, im Inneren, sondern nur die Auswirkungen auf die Umwelt?

Das macht für mich beides keinen Sinn: Sehe ich alle Details, dann wird der andere Mensch ein komplett determiniertes System, alles ist voraussehbar und klar, weil ich die Funktion komplett kennen und verstehe. Ein Maschine sozusagen – die Rädchen einer tickenden Uhr. Im anderen Fall sehe ich nichts von dem anderen Menschen, weil ich hindurchsehe, sehe ihn also gar nicht und so ist er egal. Beides ist für mich nicht wünschenswert und hat auch mit Vertrauen nichts zu tun.

Für mich ist Vertrauen eher auf mich selbst bezogen und hat vielleicht gar nichts mit dem anderen zu tun, vielmehr bezogen auf die eigenen Unsicherheit, was danach kommt.
Mein Freund Eilert Barthels, beschreibt Vertrauen immer mit diesem Gleichnis: Der Vogel hat keine Angst, dass der Ast auf dem er sitzt nicht abbricht, weil er Flügel hat.

Wie ist das nun mit den Beziehungen zu anderen Menschen? Welche Transparenz ist wünschenswert, welche erforderlich, was ist die Herausforderung in den NEUEN Beziehung, die wir versuchen zu entdecken? Vielleicht ist es genau das ich unter Abgrenzung verstehe. Die Abgrenzung komplett zu sein und trotzdem in Interaktion zu sein. Auch dann, wenn es gerade keine direkte Kommunikation gibt, ich auch gerade für mich komplett sein möchte.

Und hier schließt sich der Kreis zu meinem Artikel von vor vier Jahren. Da steht bereits dritte Bedeutung von Transparenz drin. Nämlich dass gar nicht erkennbar ist, wo das eine System beginnt und das andere aufhört. Es gar nicht unterscheidbar ist, die Berührungsflächen nicht gegeben sind, weil nicht erkennbar, eben transparent.

Ich frage mich wer kann das wollen, ich möchte es nicht.
Vertrauen ist so gesehen vielleicht, das Erkennen von Grenzen, der Eigenen wie die der/des Anderen. Und wenn ich vertraue, brauche ich keine Transparenz, nein sie ist sogar schädlich, denn entweder ist der andere eine Maschine, nicht erkennbar oder es gibt keine genaue Abgrenzung der verschiedenen System/Beteiligten.

Der erstere Fall ist für mich völlig uninteressant – so kann für mich kein menschliches Wesen funktionieren. Im zweiten Fall sehe ich den Menschen nicht und im dritten Fall wird es sich wohl um diese tödliche Verschmelzung handeln, wo aus zwei Menschen ein Organismus wird.

Ein Fazit als Angebot:
Ist es nicht genau das, dass der andere erkennbar ist, sich abgrenzen kann und sich somit zeigt, was den anderen wirklich interessant und zum Menschen macht. Wieviel Durchsichtigkeit/Transparenz ist wirklich nötig, wenn ich vertraue, in mich selbst vertraue.

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